Um neue Zuschauer anzuziehen und mit einem frischen Ansatz zu begeistern, setzt der Film „Oskars Kleid“ auf eine außergewöhnliche Familiengeschichte, die das Thema eines trans Kindes in den Mittelpunkt stellt. Der Protagonist Ben ist Polizist und hat gerade eine Trennung hinter sich. Während Ben nun alleine in einem Haus lebt und viel Alkohol konsumiert, erwartet seine Ex-Freundin Mira mit ihrem neuen Partner Diego ihr erstes gemeinsames Kind. Als Mira früher als erwartet ins Krankenhaus muss, bittet Ben darum, vorübergehend seine beiden Kinder bei sich aufnehmen zu können. Was anfangs nur schwer akzeptiert wird, stellt sich bald als Grund heraus: Der vermeintliche „Sohn“ lebt als Mädchen namens Lili. Ben ist der Überzeugung, dass es sich nur um eine Phase handelt und dass er etwas dagegen unternehmen muss.
Die Idee, das Thema eines trans Kindes im Mainstream-Kino zu behandeln, ist grundsätzlich eine gute Wahl. Ähnlich wie in der „Monsieur-Claude-Reihe“, die sich mit dem Thema der Integration von Zugewanderten auseinandersetzt, wählt auch „Oskars Kleid“ die Perspektive eines Mannes, der dem Thema skeptisch und mit Vorurteilen gegenübersteht. Dabei wird von Anfang an klar, dass Ben noch viel persönliche Entwicklung vor sich hat und seine Ansichten Ausdruck von Unreife sind. Allerdings werden homo- und transphobe Sprüche sowie rassistische Bemerkungen gegenüber Diego oft als Gags dargestellt, was häufig unpassend und misslungen wirkt.
Die Darstellung von Polizeigewalt und Antisemitismus sowie die Klischees von Bens Mutter und Ehemann tragen ebenfalls dazu bei, dass der Film an Tiefe verliert. Die Diskussion über gendergerechte Sprache zwischen dem langjährigen Ehepaar ist zwar empathisch, aber nicht sehr bemerkenswert. Leider konzentriert sich der Film zu sehr auf Ben und vernachlässigt dabei die Gefühle und den Alltag von Lili.
Anstatt Szenen über Bens Arbeit und Konfrontationen mit Klimaaktivisten oder Diego zu zeigen, hätte der Film mehr Augenmerk auf Lili legen sollen. Es ist bedauerlich, dass dem trans Kind die Aufgabe zukommt, Aufklärungsarbeit zu leisten, während seine eigenen Gefühle und Erfahrungen zu wenig behandelt werden.
Es gibt jedoch Momente im Film, in denen Lili die verdiente Aufmerksamkeit erhält und die Möglichkeit besteht, das Potenzial einer solchen Geschichte im Mainstream-Kino auszuschöpfen. Diese Szenen, wie zum Beispiel ein Gespräch mit einem Rabbi, zeigen die Tiefe und Wirkungskraft, die ein solches Werk haben könnte. Es ist schade, dass diese Chance nicht vollständig genutzt wurde.
„Oskars Kleid“ ist ein Film, der das Thema eines trans Kindes in den Fokus rückt und versucht, Verständnis und Empathie zu erzeugen. Dabei werden jedoch einige Aspekte vernachlässigt und klischeehafte Darstellungen bedient. Die Geschichte hätte das Potenzial gehabt, einen tieferen Einblick in die Gefühlswelt von Lili zu bieten und somit einen wichtigen Beitrag zu leisten.